GPX-Tracks von OSMand auf Rechner verschieben

Die Freeware OSMand fürs Smartphone ist eine feine Sache und die bessere Alternative zur Spionagesoftware Google Maps. Die ganze Komplexität dieser kostenlosen Karten- und Navigations App, die auch komplett offline funktioniert, wird auf Rudis Smartphone Tipps ausführlich beschrieben. OSMand kann vom alternativen App Store f-droid heruntergeladen werden.

Ein Problem, das viele User in Foren beschreiben, ist, dass man auf dem Smartphone gespeicherte Tracks in Form von GPX-Dateien nicht so einfach zur weiteren Bearbeitung auf den (Windows-)Rechner überspielen kann.

OSMand speichert (oder wird von Android dazu gezwungen, dies zu tun) die GPX-Dateien nämlich in ein Verzeichnis namens “data/data/net.osmand.plus/files/osmand”, auf das das auf nicht-gerooteten Geräten unverständlicherweise kein Zugriff besteht – ja, das Verzeichnis wird auf dem Handy nicht einmal angezeigt (ich hab’s mit verschiedenen Smartphone-Dateimanagern probiert).

Nach einigen Tagen frustrierender Suche bin ich auf die folgende Lösung gestoßen:

OSMand > Einstellungen > Allgemeine Einstellungen > Datenordner:
data/data/net.osmand.plus/files/osmand durch /sdcard/osmand ersetzen!

Auf der SD-Karte wird damit automatisch der Ordner “osmand” erzeugt, in den ebenso automatisch (das System fragt an, ob man das will) alle Anwendungsdaten, also auch die Offline-Karten, verschoben werden. Das hat leider den Nachteil, dass OSMand in der Anwendung langsamer wird, aber eben den Vorteil, dass sich die Daten nun in einem zugänglichen Verzeichnis befinden.

Allerdings kann es nun immer noch vorkommen, dass die GPX-Dateien im Ordner „osmand“, nachdem das Smartphone via Kabel mit dem Rechner verbunden wurde, in Windows Explorer nicht angezeigt werden. Deshalb verschiebe ich auf dem Smartphone bereits vorher die GPX-Dateien in einen selbst angelegten Ordner auf der SD-Karte (z.B. “Daten”). Von dort kann ich die GPX-Dateien auf jeden Fall auf den Rechner verschieben und mit einer Editiersoftware wie Route Converter oder GpsPrune anschauen oder bearbeiten.

Ich hoffe, dass manch einer, der dasselbe Problem hatte wie ich, diesen Blogeintrag (hilfreich) finden möge! Mir hätte er jedenfalls tagelangen Frust erspart.

Er hat Neger gesagt!

Okay, wir haben es kapiert: Viele Menschen mit einer dunkleren Hautfarbe als die eines durchschnittlichen Europäers empfinden es als abwertend, als „Neger“ bezeichnet zu werden. Okay, kein Problem! Jeder halbwegs empathische und gutmeinende Mensch wird über diese Menschen nicht mehr als „Neger“ denken oder sprechen. Und damit hat sich’s, aus! Aus! Das Thema ist abgehakt, hallo!

Wenn mir ein Mensch namens Wolfgang sagt, er will nicht „Wolfi“ genannt werden, mach ich’s ja auch nicht. Ist sein gutes Recht, das zu wollen. Ich will ja auch nicht, dass andere mich „Michi“ nennen, und sage das auch jedem, der es versucht. Jemanden nicht so zu nennen, wie er nicht genannt werden will, ist respektvolles Mindestmaß. So einfach ist das. Und wenn’s mir doch passieren sollte, dass mir das Wort Neger rausrutscht, würde ich mich einfach entschuldigen, ohne mich deshalb schuldig für alles Übel der Welt zu fühlen. Sorry, hab‘ eben nicht nachgedacht. So, wie es meine Mitmenschen üblicherweise machen, wenn ihnen im kurznamenverliebten Wien ein „Michi“ rausrutscht. No problem.

Was macht aber der PC-Diskursterror der Linken aus diesem Thema? (Meine Güte, vor 20 Jahren hätte ich nie gedacht, dass ich einmal etwas „Linkes“ kritisieren würde!) Ein essentialistisch-autoritäres Spiel von Überschreitung, Bestrafung, Fremdschämen, Freudscher Reaktionsbildung und Schuldzuweisung!

Die einen gehen mit dem Mantra „Ich darf nicht Neger sagen, ich darf nicht Neger sagen, ich darf nicht Neger sagen …“ durchs Leben, um sich „brav“ und vom linken Über-Ich geliebt zu fühlen. Die Reaktionsbildung geht aber soweit, dass sich das Sich-selbst-nicht-Zugestandene explosionsartig als externalisierter Selbsthass auf ein Gegenüber richtet, sobald dieses das tut, was man sich selbst verbietet. Und dann schwingt die Rassismuskeule aber sowas von tödlich auf das Gegenüber, dass dieses beim nächsten Mal aus Selbstschutz lieber in die Rolle des Aggressors schlüpft und den nächsten System-Analphabeten mit derselben Keule niedermacht. Und so geht das weiter, von Individuum zu Individuum, von Kollektiv zu Kollektiv; im Namen des symbolischen linken Vaters wird weiter angeschwärzt, denunziert und mundtot gemacht. Bis ein halbwegs freier Diskurs (ja ja, von Roland Barthes weiß ich, Sprache ist eh an sich faschistisch) so angstbesetzt ist, dass alle, die guten Willens sind, traumatisiert schweigen.

Die Folge auf der anderen Seite ist die kalkulierte Provokation. Wer öffentlich Neger sagt, weiß, dass er das Gesetz des linken Vaters übertritt und in dessen Augen ein unsägliches Verbrechen begangen hat. Mit dieser bewussten Transgression punktet er bei allen, die mal so richtig gegen den Papa aufbegehren wollen. Ha, zeigt es ihnen nur, diesen Linkslinken!

Er hat Neger gesagt. Wen schert’s? Entspannt euch! Sagt einfach nicht mehr Neger, aber schlagt deswegen niemanden! Wenn ihr nicht so ein Aufhebens um einzelne Wörter machen würdet, könnte es ja sein, dass es bald keinen Spaß mehr macht, Sprachregelungen zu überschreiten, um politisches Kleingeld daraus zu schlagen. Und es wäre ja möglich, dass kritisches Denken nicht mehr von der Angst bestimmt sein muss, ja keine falschen Wörter zu verwenden.

Quantenphysik

Es ist doch eigenartig: Da heißt es immer, Frauen hätten wenig Zugang zur Technik, der Gender-Gap sei in den MINT-Fächern am größten, und im WS 2013/14 betrug der Frauenanteil im Masterstudium Physik an der Uni Wien gerade mal 24,1%. Und trotzdem befinden sich in meinem Umkreis lauter Quantenphysik-Spezialistinnen.

Vor einiger Zeit wollte mir die Bekannte einer Bekannten mit Elektroden, die aus einem elektrischen Gerät kamen, meine Zellen neu programmieren. Um viel Geld natürlich, das Gerät habe sie ja auch Unsummen gekostet. Wie denn das funktioniere, fragte ich. Mit Quantenphysik, und ich wisse doch, was Quantenphysik sei? Ich wollte nicht dumm dastehen und erwiderte, natürlich wisse ich das. Als Mann, dazu noch mit einer technischen Ausbildung, ha, das wär doch gelacht!

Eine andere, liebe Freundin wollte mich durch Bestupsen meines Rückens von alten Traumata heilen. Ich war ihr ehrlich total dankbar dafür. Das Bestupstwerden war auch sehr angenehm. Wie denn das aber eigentlich funktioniere, fragte ich. Quantenphysikalisch mit einer Matrix. Aha. Ich tröstete mich über mein schreckliches Unwissen, indem ich an Einstein dachte, der gesagt haben soll: „Wer behauptet, die Quantenphysik verstanden zu haben, hat sich nicht intensiv mit ihr beschäftigt!“

Kürzlich saß ich in einer Runde zusammen, der gegenüber ich bescheiden meiner Begeisterung Ausdruck gab, dass der Philosoph Immanuel Kant vor 250 Jahren durch reines Nachdenken die Vorstellung unserer Wahrnehmung und der Realität so grundlegend verändert hat. „Aber Kant ist doch durch die heutige Quantenphysik schon widerlegt worden“, war die Überzeugung einer Anwesenden.

Jetzt wüsste ich aber doch noch zu gern, wo alle diese Expertinnen ihre quantenphysikalischen Kenntnisse erworben haben. Und vor allem, wie das jetzt genau funktioniert – mit der Quantenphysik. Denn es scheint sich um gesicherte, praxistaugliche Erkenntnisse zu handeln, mit denen man alles erklären und alles heilen kann. Da beißt die Maus keinen Faden ab, das ist so sicher wie der Ei-SCNR äh, Quantensprung.

Ich trau mich ja aber nicht zu fragen. Es könnte sich ja herausstellen, dass ich doch zu dumm bin, um Quantenphysik zu verstehen.

Österreichischer Sprachrassismus

Wenn man als Ausländer in Ösiland ohne böse Absicht Wörter ausspricht, die man so zu Hause gelernt hat, etwa Sahne, Pfifferlinge oder Eisdiele, bekommt man, paradoxerweise besonders von sich links oder gutmenschig gerierenden Menschen, im besten Fall oft reflexartig mit tadelndem Kopfschütteln die entsprechenden österreichische Entsprechung des Ausdrucks präsentiert, im schlimmsten Fall wird einem in bösartigem Ton mit „Dees haast oba Rraaahm, des san oba Äiäschwaammarrrlln, des is a Äissaloon“ übers Maul gefahren.

Dass viele sich für aufgeklärt und tolerant haltende Österreicher „Refugees Welcome“ auf ihre Fahnen geschrieben haben, hindert sie offensichtlich nicht daran, von allen Deutschsprachigen, die hierzulande leben, aggressiv die Assimilation an die austriakische Version der plurizentrischen Sprache Deutsch einzufordern.

Dies hat meiner Meinung nach mehrere Gründe.

Erstens: Der gemeine Ostösterreicher, so weltoffen er sich auch gerne gibt, hat im allgemeinen wenig Auslandserfahrung, kaum Fremdsprachenkenntnisse und somit wenig sprachlichen Weitblick. Größenwahnsinnig hält er Wien für die Hauptstadt der Welt, eine Meinung, die er durch erfundene Superlative in den Medien alle paar Monate bestätigt bekommt. Lernresistent, wie er ist, glaubt er allein zu wissen, was „deutsch“ ist und ist sich seiner impliziten Austriazismen – die er von mir aus gern behalten kann – nicht einmal bewusst. (Schon in der Grundschule wusste ich wenig damit anzufangen, dass uns die exterritoriale Kolonialmacht mit einem zwielichtigen „Österreichischen Wörterbuch“ aus schlechtem Papier zwangsbeschenkt hat, wo doch der Duden in jedem Klassenraum stand.)

Zweitens: Der Ostösterreicher hat einen strukturellen ethnischen Minderwertigkeitskomplex und hängt seine wacklige Identität an sprachhegemonistischen Attitüden auf, indem er Wörtern wie Marmelade, Topfen, Rahm oder Marillen mythischen Status zuweist. Das tabuisierte Aussprechen von Wörtern wie Sahne oder Aprikose durch andere stellt eine traumatische Bedrohung seines künstlich am Leben erhaltenen Selbstbewusstseins dar, auf die er mit rabiatem Sprachchauvinismus reagieren muss, um sein Ego wieder herzustellen. (Kokettieren tut er andererseits wie selbstverständlich mit Wörtern niederländischen oder norddeutschen Ursprungs wie „lecker“ oder „tschüß“, mit denen er zeigen will, dass er ja doch nicht so provinziell ist, wie er ist.)

Drittens: Den Österreichern steckt die Angst, etwas politisch Unkorrektes zu sagen, noch aus der Nazizeit in den Genen. (Die linke political correctness ist meiner Meinung nach nichts anderes mit umgekehrtem Vorzeichen, aber das ist ein anderesThema.) Diese Angst wird psychoanalytisch abgespaltet und auf andere projiziert. Daraus resultiert die denunziatorische Rolle als Diskurspolizei, die in diesem Land sowieso gang und gäbe ist: „Er hat nicht „Heil Hitler“, … äh: „Paradeiser“ gesagt!“ Und damit ist er aus dem Schneider, der Österreicher, denn er ist ja ein „Guter“, hat sich nichts zuschulden kommen lassen und darf sich wieder in seiner Selbstgerechtigkeit suhlen.

Literarische Schreibratgeber – Eine typologisierend-vergleichende Untersuchung

265771_cover_frontLiterarische Schreibratgeber gibt es so viele, dass man gar nicht weiß, welchen man zuerst anpacken soll. Thomas Klupps Arbeit Literarische Schreibratgeber – Eine typologisierend-vergleichende Untersuchung (Peter Lang, 2015), entstanden als Dissertation an der Universität Hildesheim, vergleicht 12 von ihnen nach poetologischen (welches Literaturverständnis haben sie?), poietischen (welche Verfahren, Techniken und Übungen propagieren sie?), methodisch-didaktischen (wie werden die Inhalte aufbereitet und vermittelt?) und historischen (gibt es dafür Grundlagen in Konzepten der Antike?) Kriterien und teilt sie als Ergebnis in drei Gruppen: die ergebnisorientierten, die prozessorientierten und die persönlichkeitsorientierten Schreibratgeber. Wissenschaftlich in der Form und doch flüssig zu lesen, ergibt das Ganze einen guten Überblick und auch eine Orientierung, zu welchem Schreibratgeber man – je nach aktuellen persönlichen Bedürfnissen – greifen sollte. Hier gibt’s eine Leseprobe.

Je weiter weg, je fremder uns etwas ist

Je weiter weg, je fremder uns etwas ist, desto mehr neigen wir (und ich nehme mich davon nicht aus) offenbar zu Verallgemeinerungen und in deren Folge zu Vorurteilen. Guy Abecassis, Reiseleiter und Autor des vergnüglichen Büchleins „100 Koffer auf dem Dach“ (1959), beschreibt anhand seiner Erfahrung mit Touristen ein sehr einleuchtendes Beispiel: „Gibt es daheim in seinem Stammlokal einen unfreundlichen Kellner, so sagt er [der Tourist] sich: ‚Dieser Kellner ist unfreundlich.‚ In einem Lokal am anderen Ende seiner Heimatstadt würde er im gleichen Fall konstatieren: ‚Die Ober in diesem Lokal sind unfreundlich.‘ Ärgert ihn die Bedienung in einer anderen Provinz seines Vaterlands, meint er: ‚Die Ober in dieser Stadt sind unfreundlich.‘ Geschieht es aber gar jenseits der Grenze, so ist er überzeugt: ‚Die Ober in diesem Land sind unfreundlich!‘ Und in jedem Fall war der Sündenbock nur ein einziger unkorrekter Kellner.“ Das Ganze kann natürlich auch mit „positiven“ Verallgemeinerungen funktionieren.

Hemingways „Der Garten Eden“

Sie (David und Catherine) saufen schon in der Früh Hochprozentiges, sprechen aber nie davon, betrunken zu sein und fahren dauernd mit dem Fahrrad irgendwohin, um zurückzukommen und wieder zu saufen und wieder zu essen und zu schlafen und sich zu lieben.3-499-22606-5.jpg.237537 Die Exposition ist oberflächlich-luftig und schwebt voller Andeutungen.

Um diese Welt auf die Probe zu stellen, wird eine zweite Frau eingeführt (Marita) zuerst im gleichen Plänkelton, und die immer noch herrschende Leichtigkeit lässt keine Eifersuchtskonstellation aufkommen. Catherine erscheint stark, so stark, dass sie die Dreierbeziehung, die sie selbst eingefädelt hat, offenbar ohne Selbstwertverlust aushält. Ist das Borderline? Die Grenzen auszuloten? Trotzdem will Catherine ständig Aufmerksamkeit: Magst du mich? Bist du sauer? Die Übersetzung war sicher nicht ganz einfach – ich nehme an, das Original wimmelt von „nice“ und „to like“, das in die richtigen „netts“, „mögen“, „gefallen“ und „lieben“ übertragen werden musste.
Es gibt keine Innenschau der Personen in Hemingways Garten Eden: Von Gefühlen erfährt man selten über Aussagen: wie „Ich scheiß auf …“ Manchmal eine urteilende Bemerkung, die man sowohl als vorsichtig personal als auch als auktorial deuten kann.

Catherines Satz „Entschuldigt, dass ich so spießig war“ steht für den impliziten Konflikt des Romans, das Bemühen, nie in die Tiefe zu gehen, denn die Auseinandersetzung mit bürgerlichen Gefühlen wäre in der Tat etwas, was hier niemanden interessiert. Am spießigsten ist Maritas Aussage zu Beginn, sie trinke nichts, da sie noch fahren müsse. Später ist ihr auch das egal.

Die Ausdrücke „miteinander geschlafen“ und „gefickt“ sind die Türoffner für die Veränderung der Atmosphäre, in der Catherine psychotisch wird – die Anspielung auf einen Aufenthalt in der Schweiz muss allerdings genügen. Auch der Wechsel vom (luftigen) Fahrrad zum (massiven) Auto ist ein Symbol für diese Zäsur.

David bleibt immer glatt wie die Haarschnitte der handelnden Personen: ob er eine Frau hat, ob er zwei Frauen hat, ob eine davon verrückt ist oder nicht, scheint ihn nicht zu berühren. Denn es geht ihm um eine andere Geschichte, eine, die er schreibt, und ausgerechnet auf die ist Catherine eifersüchtig – nicht auf Marita. Und mit dieser – die pflegeleicht ist und sein Schreiben akzeptiert, bleibt David zum Schluss auch zusammen.

Die Jahreszeiten des Luigi Alfredo Ricciardi

So spannend Weihnachten („Per mano mia“) und Sommer („Il posto di ognuno“) waren, den Winter („Il senso del dolore“) habe ich dann nicht mehr derpackt. Maurizio de Giovannis einzelgängerischer Commissario mit den grünen Augen, der die guten Mörder immer laufen lässt, und sein Obelix Maione haben den Stoff („la stoffa“) für ein solides Krimipaar, wie es die Deutschen lieben; das Neapel des italienischen Faschismus, der aber immer dezent im Hintergrund bleibt, kann mit Ystad und Triest mithalten; und doch, als ich den für mich (in unchronologischer Reihenfolge) dritten Band aufblätterte, schlug mir nur Bekanntes entgegen, und ich dachte mir, nein, nicht noch einmal die ganze Exposition ein ganzes Buch hindurch. Denn so ist es: 90% Grundierung, 10% mäßige Dynamik, und doch hat Einaudi gemeint, den „Jahreszeiten“-Zyklus neu auflegen zu müssen, vermutlich, als man begriffen hatte, dass alles so schön zusammenpasst. Zu gut. Leider. So gut, dass schon kaum mehr ein Unterschied zwischen den Romanen bemerkbar ist.

Von Kindern, Spinnen und anderen Raubtieren

Unter dem Buchtitel „Bambini, ragni e altri predatori“ („Kinder, Spinnen und andere Raubtiere“) veröffentlicht der aus Ravenna stammende Autor Eraldo Baldini Kurzgeschichten mit Suspense, die sich nicht einem einzigen Genre zuordnen lassen: Ein großer Fischfang, von dem die Ehre einer ganzen Mannschaft abhängt, entpuppt sich zu guter Letzt als die Suche nach etwas ganz anderem, eine blinde Geigerin wird auf dem Meer vergessen, das Kleine Volk schnappt sich die Ethnologen aus der Stadt. Ein bisschen Krimi, ein bisschen Horror, ein bisschen Roald Dahl … und ein Genuss zu lesen.

Ich bin Gott

Interne Notiz zum Abhaken: „Io sono Dio“ („Ich bin Gott“): Ein hohler Abklatsch-Vietnam-Veteran kehrt aus einem Medien-Abklatsch-Vietnamkrieg mit Medien-Abklatsch-Vietcongs zurück in eine Abklatsch-USA zu seinem letzten wahren Abklatsch-Vietnam-Veteranen-Freund und redet mit ihm über sein abwesendes Abklatsch-Vietnam-Veteranen-Mädel. Irgendwie geht der Roman dann weiter, aber da lag er schon in der Ecke. Der in Asti geborene Autor, Giorgio Faletti, verkauft seine „weltweit übersetzten Bücher millionenfach“. Warum bloß?

Lesezeichen raus, Schutzumschlag drauf

Wenn ich die Lektüre eines Buches abbreche, geschieht dies meist auf Seite zwei oder 20, selten auf Seite 380 von 500. T. Glavinic, Das größere Wunder – von Arbeitskollegin geliehen bekommen – vielversprechend begonnen, indem Bilder und Gefühle beim Lesen sich vom Substrat der Sprache abheben wie  hochfrequente elektromagnetische Wellen von ihren Leitern – zur Mitte hin immer plakativer und vorhersehbarer – schließlich angefangen, vorzublättern und über den Text zu scannen – gesehen, dass es in diesem Stil und Inhalt weitergeht – Lesezeichen raus, Schutzumschlag wieder drauf und mit Dank zurück.

Gar nicht affig

Ich finde hierzulande Restaurantnamen, die à l’américaine mit „s“ enden, ob mit oder ohne Deppenapostroph, eigentlich affig. Ausgerechnet in einem Lokal namens „Marks“ habe ich mir zeigen lassen, dass es sich lohnt, in Wien hin und wieder gastronomisch etwas Neues zu probieren, ohne dafür finanziell bluten zu müssen. Zum Beispiel „Israeli Hamshuka“: Zartes Faschiertes in einem Bett aus feinstem Hummus Tahina, dazu ein aromatisches (leider viel zu kleines) Pitabrot mit Kräutern sowie Salat aus fein gehobeltem Rettich. Das hausgemachte Ingwerwasser aus leicht kohlesäurehaltigem Mineral mit Gurkenblättchen war genau am richtigen Punkt zwischen mild und prickelnd, kalt und temperiert, fruchtig und dezent. Es wird wohl Soda Zitrone als mein selbstgemachtes Lieblingsgetränk ablösen.

Neues aus Schilda

Bitte nützen Sie alle EinstiegeNein, wir befinden uns nicht in einer Versuchsanordnung für Schwarmintelligenzen oder vor dem Eingang der Abteilung für multiple Persönlichkeiten in einer psychiatrischen Einrichtung. Es sind die Wiener Linien, bei denen ich mich wieder einmal frage, wer sie in Sprachdingen berät. Und dann heißt es wieder, wir behindern die Abfahrt, tsss!

Bei Pfifferlingen hört der Spaß auf!

Als ich vor einiger Zeit mit einer Wiener Freundin auf einer Almhütte in Südtirol Rast machte und der Kellner sie fragte, ob sie Sahne zum Kuchen haben wollte, antwortete sie pikiert: „Nein – und wenn schon, dann an‘ Schlag“. Der Kellner, der mit hegemonialen Attitüden österreichischer Touristen umzugehen verstand, erwiderte schmunzelnd, auch das könne sie gern haben; es sei allerdings das, was er von seiner Frau bekomme, wenn er abends zu spät nach Hause komme.

pfifferlingeEs ist auch das, was einer in Wien aufs Maul kriegt, wenn er den Cantharellus cibarius „Pfifferling“ nennt. Der geborene und niemals seinem imperialen Sprachmief entstiegene Ostösterreicher fühlt sich nämlich durch jede Abweichung von seiner eigenen Sprachverwendung in seiner labilen, weil auf Marmelade und Topfen schwimmenden Identität bedroht. Dass man seine „Eierschwammerl“ in Südtirol nicht kennt, glaubt er einem nicht – schließlich hat er das Land, das vor 100 Jahren „ihm“ gehört hat, auf der Fahrt nach Liknano oder Tschaorle schon einmal durchs Autofenster gesehen.

Willibecher

bienewilliWissen Sie, was ein Willibecher ist? Ich wusste es nicht, und es hat langer Suche im Netz bedurft, bis ich wusste, wie das Ding heißt, das ich will. Man bekommt es nämlich nirgends. Fast nirgends. Bei keinem Lutz mit vielen X und auch bei keinem Leiner. Weil es da nur Überkandideltes gibt: Pilstulpen etwa. Oder Schlauchgläser, aus denen das Bier nicht schmeckt und in die beim Abspülen die Hand nicht reinpasst. Ein Willibecher hingegen ist ein sogenanntes „deutsches Standardglas“. Also das ganz hundsnormale 0,5-Liter-Bierglas. Wieder was gelernt. Nur, dass man es nicht mehr kriegt. Ein Jammer. Doch ich sagte vorhin „fast“! Es gibt sie nämlich noch, die „alten“ Haushaltswarengeschäfte in Wien, etwa den Neumeister in der Hütteldorfer Straße oder den Sladek in der Reschgasse, die auch die „alten“ Biergläser noch haben. Ich war gestern zum ersten Mal beim Sladek. Und sage zur alten Frau Sladek voller Ehrfurcht: „Ich glaube, bei Ihnen gibt es wohl alles.“ Sie nickt und meint, ja, was Küchensachen angeht … Und erzählt mir freundlich mit vor Rührung feuchten Augen, wie unvergleichlich Gulasch aus einem „Le Creuset“-Topf schmeckt. Vielleicht leiste ich mir mal irgendwann so ein Ding.

In Italien essen gehen

fertigreisItalien bedeutet nicht automatisch gutes Essen, obwohl diese Vorstellung in meinem Südtiroler Kopf immer noch herumspukt. (Auf Frankreich, wo ein Sandwich aus dem Bahnhofsbistro besser schmecken kann als das Essen in vielen Wiener Restaurants, trifft so eine Aussage wohl eher zu.) In Verona habe ich einmal das Mittagessen vergessen („saltato il pranzo“) und musste um 17.00 Uhr aus Ohnmachtsgefahrgründen unbedingt ein Lokal finden. Offen hatten natürlich nur miese kleine Touristen-Fallen wie das Caffè le F., wo ich für einen geschmackfreien (sicher Fertig-)Schwammlreis (ich weigere mich hier, die italienische Bezeichnung zu verwenden, das hat er nicht verdient) und einen langweilig hingefetzten Salat mit schlechtem Käse knapp 20,- EUR bezahlt habe. Nachher war mir fast übel, aber ich hab’s als lehrreiche Erfahrung gebucht, meinen Essensrhythmus in Italien an den der Italiener anzupassen und dafür zwischendurch lieber mal ein paar Yogurts zu löffeln. (Und ja, man mag mir Blauäugigkeit, gar Dummheit vorwerfen, aber wenn der leere Magen stärker ist als die Vernunft, macht man schon mal Sachen …)

Die perfekte Pasta

bigoli

Foto: Il Cucchiaio d’Argento

Als ich zum ersten Mal daran dachte, bloggen zu wollen, stellte ich mir vor, ganz viel übers Essen zu schreiben. Doch dann kam da einfach lange Zeit nichts, was die Mühe wert gewesen wäre. Mein Besuch in der Antica Osteria „Al Duomo“ in Verona bildet nun den begeisterten Auftakt. Bei dem Foto links handelt es sich um Bigoli, eine Art superdicker, rauher Spaghetti aus Weichweizen, mit deren Oberfläche der Sugo perfekt amalgamiert. Ihre Biss-Konsistenz lässt glatt vergessen, dass sie nicht aus Hartweizengries gemacht sind. Dazu ein Ragù di musso: Eselfleisch-Bolognese mit einem Hauch von Rosmarin und Rotwein!Salame di cioccolato (Die Sfilacci di cavallo – gepökeltes, geräuchertes und getrocknetes Pferdefleisch, das in seine Fasern zerlegt wird und wie Safran aussieht – schmeckten dafür recht langweilig, aber ich schätze, die gehören so.) Zum Abschluss ein angenehm wenig süßer, aber sehr kakaoiger Salame di cioccolato (Bild rechts). Dazu ein würziges Glas Prearin Rosso Veronese IGT aus der Cantina Valpolicella Negrar.

Sinistralität, Antezedenz und alphabetische Priorität

Eines der Bücher, mit dem ich mich Mitte Zwanzig am meisten identifiziert habe, also quasi ein „Existenzbuch“ wie Albert Camus‘ Der Fremde, Antonio Tabucchis Sostiene Pereira oder Ernesto Sabatos El Túnel, war ein Roman, von dem sein Autor John Barth später selbstkritisch gemeint hat, sein Werk habe nicht einmal gewusst, dass es ein Buch sei. (Ja, die späteren Romane von Barth haben einen völlig anderen Stil und sind unzugänglich bis langweilig postmodern.) Das Buch, das ich meine, lag Anfang der neunziger Jahre an einem warmen Frühlingstag mit einem weißen Umschlag und einem Titel in großen roten Lettern in einer Wühlkiste eines Bücherverramschladens am Wiener Rochusmarkt in der späten Nachmittagssonne.

John Bart: Ich bin Jake Horner, glaube ichDer deutsche Titel (Ich bin Jake Horner, glaube ich) klang bescheuert, das billige Coverfoto und der Klappentext versprachen eine reißerische Dreiecksgeschichte, und doch habe ich das Buch gekauft. Vielleicht haben mich die radikale Luzidität einiger zufällig überflogener Sätze und der im  Impressum genannte Originaltitel The End of the Road überzeugt, dass mehr darin stand als der Ullstein-Verlag mir weismachen wollte – oder dass es einfach das Buch war, das meine Seele gerade brauchte, so wie zehn Jahre früher Narziß und Goldmund in mein Leben getreten war. Und mein Gefühl hat mich nicht betrogen. Es ist – mit dem letzteren – eines der wenigen Bücher, die ich mehr als einmal gelesen habe.

Jacob Horner, der Antiheld des Buches auf der Suche nach dem, was seinem Leben Bedeutung geben könnte, gerät unter anderem an einen seltsamen Therapeuten, der ihm folgende Einführung in seinen pragmatischen Ansatz gegen Orientierungslosigkeit und Handlungsunfähigkeit gibt:

„Alle meine Therapien werden eine Zeitlang darauf gerichtet sein, Sie Ihrer Existenz bewußt werden zu lassen. Es ist unwesentlich, ob Sie konstruktiv oder gar konsequent handeln, solange Sie nur handeln. […] Es wäre in Ihrem spezifischen Fall nicht gut, an Gott zu glauben. […] Warum lesen Sie nicht Sartre und werden Existentialist? Das wird Sie auf Trab halten, bis wir was Passenderes für Sie auftreiben. Studieren Sie den Welt-Almanach: das soll für eine Weile Ihr Brevier sein. Wenn Sie außer dem Almanach noch was anderes lesen, dann lesen Sie nur Schauspiele – keine Romane oder Sachbücher. Und vor allem – handeln Sie impulsiv: […] Dies sind die Regeln [räumliche] ›Sinistralität‹, [zeitliche] ›Antezedenz‹ und [abstrakte] ›Alphabetische Priorität‹ – es gibt noch mehr, und sie sind willkürlich, aber nützlich. Bye.“

Kann ich dir ’n Taschenbuch spendieren, Baby?

Bettina Reinisch hat auf ihrer Facebook-Seite den folgenden Appell geteilt:

You know how people buy drinks for girls in bars? Why can’t people do that in book stores? Like if I’m looking at a novel in Barnes and Noble and some person walks up to me and strikes up a conversation and offers to buy the book for me there is a lot better chance of that working out in their favor.

Dazu ist mir die folgende Geschichte eingefallen:

„Hey, kann ich dir ’n Taschenbuch spendieren, Baby?“
Lilja blickte von ihrem Buch auf und den, der gefragt hatte, langsam von unten nach oben an. Sah nicht übel aus, der Typ, so irgendwo zwischen Gerhart Hauptmann und T. C. Boyle.
„Was Härteres hast du nicht anzubieten?“ Herausfordernd warf Lilja ihre platinblonde Mähne über die linke Schulter und schaute direkt in seine stahlblauen Augen.
Der Typ zuckte mit keiner Miene. „Meinetwegen auch Hardcover. Was hältst du von Jean Genet, drei Bände Halbleinen im Kartonschuber? Könnte ’ne lange Nacht werden, Baby.“ Er grinste und schob einen Zahnstocher vom linken zum rechten Mundwinkel und wieder zurück.
„Genet war schwul. Außerdem steh ich nicht auf Französisch.“ Lilja spuckte ein imaginäres Schamhaar auf den Parkettboden der Buchhandlung. „Mehr so auf Arno Schmidt, falls dir das was sagt. Zettels Traum. Harenberg, 1334 Seiten in DIN-A3. Ich glaub’s zwar nicht, aber frau gibt die Hoffnung nicht auf.“ Sie biss sich müde auf die Unterlippe.
Der Typ lief unter seiner Sonnenbräune rot an.
„Hey Baby, verarsch mich nicht. Du weißt genau, was das kostet. Willst du mich dafür heiraten, oder was? Abgesehen davon, dass die solche Luxusteile in diesem Scheißladen sicher nicht führen. Nee du, kein Bock auf solche Spielchen. Ich will mich hier bloß ein bisschen amüsieren, weiter nichts.“ Er drehte sich wütend um und verschwand.
Lilja seufzte und wandte sich erneut ihrem Liebesroman zu. Vielleicht sollte sie sich doch lieber wieder in Kneipen aufreißen lassen.

Zur schönen Aussicht

Da lasse ich mich nach langer Zeit wieder mal zu einem Theaterbesuch überreden und rutsche während Ödön von Horváths Zur schönen Aussicht im Schauspielhaus Wien fortwährend auf meinem Stuhl herum und verspüre seltsamerweise das spontane Bedürfnis, Atemübungen zu machen. Bin ich schon so film- und youtubegeprägt, dass ich nervös werde, wenn Menschen auf einer Bühne Dialoge ohne Filmschnitte und Einstellungswechsel in Echtzeit entwickeln? Doch warum habe ich das Gefühl, ich sehe dort unten (außer Sophie Hutter) statt Figuren lauter hysterische SchauspielerInnen, die überartikulierte Sprechübungen machen? Der verhaltene Schlussapplaus des Publikums zeigte mir schließlich, dass die Ursache meiner Langweile wohl nicht nur an meinem inneren Medienbruch lag.

Eine Frage der Identität

Tja, die Frage der Identität ist ja – neben den Fragen nach Liebe und Tod – eine der Ur-Fragen, auf die man das das ganze Dasein und das Universum und den Rest reduzieren kann. Und natürlich die ganze Literatur, die im Wesentlichen nichts anderes ist. Auch ohne jetzt eine Antwort darauf zu haben, habe ich beschlossen, meine Facebook-Seite von „Schreibspaziergänge“ auf meinen Klarnamen umzubenennen. Von einem Einzelprodukt auf meine Person. Im Sinne der Vielfalt, die da noch kommen mag.

Erbarmen!

Krimis lassen sich nicht mehr nur in der Tradition skandinavischer Sozialkritik verkaufen, sondern müssen entweder Lokalkolorit transportieren oder immer verstörender werden, um gelesen zu werden. Ich kenne und goutiere beide Subgenres, lese aber, um es mal vorsichtig zu sagen, nicht jeden Scheiß. Da hat es mich natürlich neugierig gemacht, dass Christian Schärf in seinem sonst sehr aufschlussreichen Büchlein Spannend schreiben aus der DUDEN-Reihe Kreatives Schreiben eine Linie von Edgar Allan Poes Die Grube und das Pendel zum Thriller Erbarmen von Jussi Adler-Olsen zieht. Schärf macht’s wahrlich spannend, wenn er vom letzten sagt: „Der Faktor des sadomasochistischen Voyeurismus ist in diesem Text derart hoch, dass man immer wieder in Versuchung gerät, die Lektüre abzubrechen, und im selben Moment doch fast zwanghaft weiterlesen muss.“ Oha! Ich kannte Adler-Olsen – im Unterschied zu zahlreichen anderen nordischen Autoren – nicht und freute mich auf einen spannenden Abend, als mir das genannte Buch in der Bücherei irgendwann unterkam. Mein Abend war dann leider geprägt von der wiederkehrenden Versuchung, die Lektüre aus Langeweile abzubrechen und den Schmarren nicht mehr weiterzulesen. Eine brutale Idee macht noch keine gute Handlung und schon gar keinen guten Erzähler. Auf Amazon haben einige Rezensenten auf negative Kritiken anderer gekontert, ein Thriller müsse nicht „realistisch“ sein. Bezogen aber auf welche „Realität“? Auch Science Fiction muss in sich glaubwürdig sein. Und dieser Roman ist so hanebüchen, dass mit keiner einzigen Figur Identifikation oder Mitgefühl und damit auch keine Spannung aufkommt. Erbarmt habe ich mich schließlich meiner selbst, als ich das Buch endgültig auf die Seite gelegt habe. Ich sollte meinen literarischen Instinkten trauen und wie bisher einen großen Bogen um „Bestseller“ machen.

Der notwendigere Sitzplatz

Die neue Lautsprecherdurchsage der Wiener Linien Bitte seien Sie achtsam. Andere brauchen Ihren Sitzplatz vielleicht notwendiger ist in einer Stadt, in der das Verhalten der Menschen im öffentlichen Raum vorwiegend von Autorität, Misstrauen und Denunziantismus geprägt ist, zweifellos ein sorgeethischer Fortschritt. Grammatisch tut mir der Satz immer noch weh. Notwendig bedeutet „unbedingt (erforderlich)“. Man kann einen Ruheplatz ja mehr, weniger oder dringender, aber kann man ihn „unbedingter“ oder „unbedingt erforderlicher“ brauchen? Ein bisschen schwanger gibt’s ja auch nicht – um beim Thema zu bleiben.

Und nein: Bei meinen Schreibspaziergängen bin ich ganz anders 🙂

Zeus gegen Thalia 1:0

Natürlich musste der heutige Schreibspaziergang an der Donau dem seit einer Woche herrschenden Kaltgrauregen weichen. Thalia, die Muse der komischen Dichtung (ja, meist wird bei den Schreibspaziergängen auch gelacht) und der Unterhaltung, hat gegen den Wettergott Zeus verloren und wir, die wir mit den Flussnymphen flirten, uns von Satzwellen treiben lassen und Flaschenpostflaschen fischen wollten, hatten das Nachsehen. Leider ist es nicht möglich, an den – nach anderen als meteorologischen Kriterien – ausgesuchten Schreiborten nach Bedarf feste Unterschlüpfe aus dem Boden zu zaubern. Dazu brauchte es einen Deus ex machina – und so einen will ja eigentlich eh keiner, der gute Geschichten schreibt.

Als Kurzzug geführt

Jedes Mal, wenn Chris Lohner auf dem Bahnsteig der Wiener S45 verkündet, dass der eintreffende Zug „als Kurzug geführt“ wird, rätsele ich, was sie uns damit sagen will. Nach meinem laienhaften Verständnis des Wortes „Zug“ wird dieser im Wesentlichen durch seine Waggons gebildet, deren Anzahl sein erfahrbares physisches Sein ausmacht. Ein wohldefinierter Zug ist phänomenologisch also vor allem durch seine Länge bestimmt und kann meines Erachtens nicht a posteriori als kurz oder lang „geführt“ werden. Da könnte ja ein Wirt die gleichen Nudeln, kurz bevor sie auf dem Teller landen, heute als Spaghetti und morgen als pasta corta „führen“. Oder bezeichnet das Wort „Zug“ im wienerverkehrbetriebstechnischen Sinn etwa ein philosophisches Abstraktum, nämlich den geistigen Sachverhalt, dass da etwas vorbeizugt, äh: -zieht? Dann wäre „geführt“ gleichzusetzen mit „realisiert“: „Sehr geehrte Fahrgäste, bitte beachten Sie, dass sich die Idee dieses Zuges als Kurzzug materialisiert.“

Anlässlich …

Was macht einer, der seit Monaten keine Lust hat, seine Website zu aktualisieren, weil die Facebook-Präsenz viel ansprechender und leichter zu editieren ist? Am vierten Regentag lässt er morgens die Vorhänge geschlossen und baut sich endlich eine neue, und zwar mit Blog – damit’s wieder Spaß macht! Dann fällt ihm ein, dass er den ganzen Tag nichts gegessen und mit niemandem geredet hat und jetzt schon wieder ins Bett sollte.