Okay, wir haben es kapiert: Viele Menschen mit einer dunkleren Hautfarbe als die eines durchschnittlichen Europäers empfinden es als abwertend, als „Neger“ bezeichnet zu werden. Okay, kein Problem! Jeder halbwegs empathische und gutmeinende Mensch wird über diese Menschen nicht mehr als „Neger“ denken oder sprechen. Und damit hat sich’s, aus! Aus! Das Thema ist abgehakt, hallo!
Wenn mir ein Mensch namens Wolfgang sagt, er will nicht „Wolfi“ genannt werden, mach ich’s ja auch nicht. Ist sein gutes Recht, das zu wollen. Ich will ja auch nicht, dass andere mich „Michi“ nennen, und sage das auch jedem, der es versucht. Jemanden nicht so zu nennen, wie er nicht genannt werden will, ist respektvolles Mindestmaß. So einfach ist das. Und wenn’s mir doch passieren sollte, dass mir das Wort Neger rausrutscht, würde ich mich einfach entschuldigen, ohne mich deshalb schuldig für alles Übel der Welt zu fühlen. Sorry, hab‘ eben nicht nachgedacht. So, wie es meine Mitmenschen üblicherweise machen, wenn ihnen im kurznamenverliebten Wien ein „Michi“ rausrutscht. No problem.
Was macht aber der PC-Diskursterror der Linken aus diesem Thema? (Meine Güte, vor 20 Jahren hätte ich nie gedacht, dass ich einmal etwas „Linkes“ kritisieren würde!) Ein essentialistisch-autoritäres Spiel von Überschreitung, Bestrafung, Fremdschämen, Freudscher Reaktionsbildung und Schuldzuweisung!
Die einen gehen mit dem Mantra „Ich darf nicht Neger sagen, ich darf nicht Neger sagen, ich darf nicht Neger sagen …“ durchs Leben, um sich „brav“ und vom linken Über-Ich geliebt zu fühlen. Die Reaktionsbildung geht aber soweit, dass sich das Sich-selbst-nicht-Zugestandene explosionsartig als externalisierter Selbsthass auf ein Gegenüber richtet, sobald dieses das tut, was man sich selbst verbietet. Und dann schwingt die Rassismuskeule aber sowas von tödlich auf das Gegenüber, dass dieses beim nächsten Mal aus Selbstschutz lieber in die Rolle des Aggressors schlüpft und den nächsten System-Analphabeten mit derselben Keule niedermacht. Und so geht das weiter, von Individuum zu Individuum, von Kollektiv zu Kollektiv; im Namen des symbolischen linken Vaters wird weiter angeschwärzt, denunziert und mundtot gemacht. Bis ein halbwegs freier Diskurs (ja ja, von Roland Barthes weiß ich, Sprache ist eh an sich faschistisch) so angstbesetzt ist, dass alle, die guten Willens sind, traumatisiert schweigen.
Die Folge auf der anderen Seite ist die kalkulierte Provokation. Wer öffentlich Neger sagt, weiß, dass er das Gesetz des linken Vaters übertritt und in dessen Augen ein unsägliches Verbrechen begangen hat. Mit dieser bewussten Transgression punktet er bei allen, die mal so richtig gegen den Papa aufbegehren wollen. Ha, zeigt es ihnen nur, diesen Linkslinken!
Er hat Neger gesagt. Wen schert’s? Entspannt euch! Sagt einfach nicht mehr Neger, aber schlagt deswegen niemanden! Wenn ihr nicht so ein Aufhebens um einzelne Wörter machen würdet, könnte es ja sein, dass es bald keinen Spaß mehr macht, Sprachregelungen zu überschreiten, um politisches Kleingeld daraus zu schlagen. Und es wäre ja möglich, dass kritisches Denken nicht mehr von der Angst bestimmt sein muss, ja keine falschen Wörter zu verwenden.