Hemingways „Der Garten Eden“

Sie (David und Catherine) saufen schon in der Früh Hochprozentiges, sprechen aber nie davon, betrunken zu sein und fahren dauernd mit dem Fahrrad irgendwohin, um zurückzukommen und wieder zu saufen und wieder zu essen und zu schlafen und sich zu lieben.3-499-22606-5.jpg.237537 Die Exposition ist oberflächlich-luftig und schwebt voller Andeutungen.

Um diese Welt auf die Probe zu stellen, wird eine zweite Frau eingeführt (Marita) zuerst im gleichen Plänkelton, und die immer noch herrschende Leichtigkeit lässt keine Eifersuchtskonstellation aufkommen. Catherine erscheint stark, so stark, dass sie die Dreierbeziehung, die sie selbst eingefädelt hat, offenbar ohne Selbstwertverlust aushält. Ist das Borderline? Die Grenzen auszuloten? Trotzdem will Catherine ständig Aufmerksamkeit: Magst du mich? Bist du sauer? Die Übersetzung war sicher nicht ganz einfach – ich nehme an, das Original wimmelt von „nice“ und „to like“, das in die richtigen „netts“, „mögen“, „gefallen“ und „lieben“ übertragen werden musste.
Es gibt keine Innenschau der Personen in Hemingways Garten Eden: Von Gefühlen erfährt man selten über Aussagen: wie „Ich scheiß auf …“ Manchmal eine urteilende Bemerkung, die man sowohl als vorsichtig personal als auch als auktorial deuten kann.

Catherines Satz „Entschuldigt, dass ich so spießig war“ steht für den impliziten Konflikt des Romans, das Bemühen, nie in die Tiefe zu gehen, denn die Auseinandersetzung mit bürgerlichen Gefühlen wäre in der Tat etwas, was hier niemanden interessiert. Am spießigsten ist Maritas Aussage zu Beginn, sie trinke nichts, da sie noch fahren müsse. Später ist ihr auch das egal.

Die Ausdrücke „miteinander geschlafen“ und „gefickt“ sind die Türoffner für die Veränderung der Atmosphäre, in der Catherine psychotisch wird – die Anspielung auf einen Aufenthalt in der Schweiz muss allerdings genügen. Auch der Wechsel vom (luftigen) Fahrrad zum (massiven) Auto ist ein Symbol für diese Zäsur.

David bleibt immer glatt wie die Haarschnitte der handelnden Personen: ob er eine Frau hat, ob er zwei Frauen hat, ob eine davon verrückt ist oder nicht, scheint ihn nicht zu berühren. Denn es geht ihm um eine andere Geschichte, eine, die er schreibt, und ausgerechnet auf die ist Catherine eifersüchtig – nicht auf Marita. Und mit dieser – die pflegeleicht ist und sein Schreiben akzeptiert, bleibt David zum Schluss auch zusammen.